Heute vor genau 10 Jahren war ich zum ersten Mal DJ auf einer Tanzparty im Tanzstudio meines Vertrauens. Zuvor hatte ich zwar schonmal im kleinen Saal für eine geschlossene Gesellschaft die Musikauswahl vorgenommen, das große Ziel war aber immer der Saal 1 und dann nicht nur die Musikauswahl, sondern auch die Lichtsteuerung. Davon war ich schon während des Anfängerkurses, damals 2006, komplett fasziniert. Bis heute hat sich daran nichts geändert.
Schon als Kind habe ich mir meine eigenen Mixtapes erstellt, aufgenommen vom Plattenspieler oder aus dem Radio. Als Schüler war mein Berufswunsch immer Radiomoderator. Im letzten Schuljahr der Wirtschaftsschule konnte ich mir dann die Studios von Hit Radio N1 ansehen, beim Tag der offenen Tür. Tatsächlich hatte ich die Studios vorher schon gesehen, im Musikvideo zu "More and More" von Captain Hollywood Project. Leider musste ich an diesem Tag meinen Berufswunsch aufgeben, dafür muss man nämlich studiert haben und ich hatte ja nichtmal das Abitur zu bieten. Wenn Euch also das nächste Mal Flo Kerschner am frühen Morgen zur Verzweiflung bringt, denkt daran: Das war mal ein Akademiker.
Inzwischen habe ich meinem Arbeitgeber schon über ein Vierteljahrhundert die Treue gehalten. Von meiner Seite aus ist Loyalität also kein Problem. Grüße gehen raus.
Im Januar 2006 machte ich meinen ersten Tanzkurs und stellte mich dabei gar nicht so dumm an. Direkt nach dem Anfängerkurs begann, wie jeden Freitag, um 21 Uhr die Tanzparty. Das hat mit einem Club oder eine Disko nichts zu tun. Hier werden die Standard- und Latein-Tänze geübt, man braucht also gut tanzbare Lieder bei denen man den Takt gut raushört. Diese Lieder spielt man im Idealfall etwas langsamer ab. Die Tanzfläche sollte immer gut beleuchtet sein, damit die Tänzer sich auch gegenseitig sehen und notfalls aus dem Weg gehen bzw. tanzen können. So die Theorie.
Vor allem die Beleuchtung interessierte mich immer. Dem jeweiligen DJ konnte ich immer mal wieder über die Schulter schauen, wie die einzelnen Elemente gesteuert werden. Was für ein schönes Spielzeug. Ziemlich früh fasste ich den Entschluss: "Irgendwann stehe ich da oben, irgendwann spiele ich an den Reglern herum". Damals war ich aber einfach noch nicht bereit. Als besonderer Service wird vor jedem Lied der dazugehörige Tanz angesagt. Man muss also vor Publikum und noch dazu mit einem Mikro sprechen können. Diesen Punkt unterschätzen einige Leute gerne mal. Es wäre doch nichts Besonderes was ich da mache. Selbst zum Mikro zu greifen wollen sie dann aber auch nicht.
Meine Erfolgserlebnisse auf der Tanzfläche machten mich immer zuversichtlicher. Regelmäßige Erfolgserlebnisse taten meinem Selbstbewusstsein gut. Mein Arbeitgeber hat eine Sportgemeinschaft und die bot auch einen Tanzkurs an. Da machte ich mit und brachte nach und nach immer mehr Musikwünsche ein, bis der Trainer es mir schließlich komplett überließ. Dann war ich immer öfter mal die Vertretung und irgendwann leitete ich den Kurs sogar komplett. An einem Abend reservierte ich den kleinen Tanzsaal, die Kolleg*Innen kamen und ich gab Tanzlehrer und DJ in einer Person. Mit vertrautem Publikum kein Problem. Es sollte aber noch etwas Zeit vergehen.
2014 hatte ich mich dann mit einem der DJs angefreundet. Als er mal wieder "Dienst" hatte, ließ er sich über die Schulter blicken. Ich lernte die Musiksoftware kennen, ließ mir die Regler und das Mikro erklären und dann schließlich auch die Beleuchtung. Zu diesem Zeitpunkt war ein Rückzieher nicht mehr möglich, dann hätte ich mir nicht mehr in die Augen schauen können. Im Oktober war ich dann schon im Hintergrund aktiv. Ich suchte ein paar Lieder heraus und stellte mal die Beleuchtung von einer Farbe auf die andere um. Noch nichts Großes. Wieder ein paar Wochen später, inzwischen hatte ich mich beim Tanzstudio schon "beworben", stand ich dann plötzlich am Mikro. Der DJ machte eine kleine Raucherpause, aus der er nicht rechtzeitig zurückgekommen ist. Also musste ich ran.
Und dann kam eben der 14.11.2014. Das Tanzstudio Schlegl gab mir einen mächtigen Vertrauensvorschuss. Ich musste nichts vorher absprechen und durfte alles allein entscheiden. Jedes einzelne Lied und jede einzelne Einstellung der vielen bunten Lichter. Natürlich war ich nervös, aber auch voll positiver Energie. Nun würde mein Traum doch noch irgendwie in Erfüllung und ich "on air" gehen. Selbst wenn es nur bei diesem einen Abend geblieben wäre, hätte ich das als das Erreichen meines Ziels gewertet. In meiner Playlist waren all die wunderbar tanzbaren Lieder die mir gefallen und die Lichter stellte ich so ein, wie ich sie als Tänzer gerne mal gehabt hätte. Von meinem Lehrmeister habe ich die Angewohnheit übernommen, ganz zum Schluss noch einen Electric Slide zu spielen. Bis heute halte ich daran fest.
Es blieb nämlich nicht bei diesem einen Mal. Seit zehn Jahren bin ich nun in etwa einmal monatlich als DJ aktiv. Immer noch freitags ab 21 Uhr, immer noch ganz allein für Ton und Licht zuständig. Meine Moderationen gleichen tatsächlich denen eines Radiomoderators und Musikwünsche nehme ich gerne an. Über die Jahre habe ich den Bachata auf den Tanzpartys etabliert, inzwischen bietet das Tanzstudio sogar Kurse dafür an. Seit Neuestem spiele ich auch den Paso Doble immer wieder gern, auch wenn dabei nur wenige Paare auf der Fläche sind. Scheinbar mache ich meine Sache gut. Ich messe das immer, indem ich beim letzten Tanz bevor das "große Licht" wieder hochgefahren wird, die Tanzpaare auf der Fläche durchzähle. Mein Rekord liegt bei 34. Dass an einem Abend viele Leute kommen hat mit mir nichts zu tun. Dass aber nur ganz wenige vor dem letzten Lied schon gehen, das schreibe ich mir gut.
Außerhalb des Tanzstudios habe ich schon zwei große Geburtstagsfeiern und sogar zwei Hochzeiten beschallt. Ein weiteres Highlight war die Teilnahme an der CSD-Demo in diesem Jahr für meinen Arbeitgeber. Im Tanzstudio habe ich auch schon Motto-Partys übernommen und bin dieses Jahr zum dritten Mal in Folge an Silvester aktiv.
Das Feedback der Tänzer*Innen ist immer wieder positiv. Dabei spiele ich die Lieder gerne im Original-Tempo oder sogar etwas schneller. Die Beleuchtung fahre ich bei Liebesliedern auch gerne mal bis aufs Minimum runter, nur die Spiegelkugeln geben noch ihre dann schwachen Reflektionen ab. Sollen sie doch kuscheln und schmusen. Am Mikro versuche ich immer das richtige Maß zu finden zwischen zu viel und zu wenig Gerede. Einige Stammkunden kenne ich inzwischen schon ganz gut, sie brauchen sich ihre Lieblingslieder gar nicht mehr wünschen. Für alle Fälle habe ich immer eine Playlist für den Abend. Diese ist schon Tage vorher fertig. Bis heute habe ich mich nicht ein einziges Mal genau an die Liste gehalten. Außerdem verlasse ich mich nie auf nur eine Quelle für die Musik. Falls da mal irgendetwas schiefgehen sollte, hätte ich also einen Plan B. Und wenn das Mikro ausfällt verlasse ich mich halt auf meine kräftige Stimme.
Wenn ich oben am Pult stehe kann es schon sein dass man mal zu David Hasselhoff eine Samba tanzt, zu Loona einen Wiener Walzer oder zu Nicki einen Quickstep. Hier auf der Homepage kündige ich immer meinen nächsten Termin an. In zwei Wochen darf ich wieder, an der Playlist habe ich heute schon etwas gearbeitet.