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Das Schwarze Schaf

Die Erzählung meiner Lebensgeschichte muss schon vor meiner Geburt beginnen. Mit meiner Familie, meinen Verwandten.

Mein Vater, Gerhard W. Maier, wurde am 14.04.1932 in Visselhövede geboren. Über seine Jugend hat er nie gesprochen und auch von seiner Familie wussten wir nichtmal die Namen. Irgendwann war die Zeit zwischen 1933 und 1945 ein Thema im Geschichtsunterricht und ich habe nochmal versucht mit meinem Vater darüber zu reden. Ich erfuhr aber nur, dass er der einzig Überlebende seiner Familie war. Manchmal bekamen wir Besuch von Leuten zu denen ich halt Onkel und Tante gesagt habe, es waren aber eher langjährige Freunde und keine wirklichen Familienmitglieder.

Er war bereits einmal verheiratet und ist geschieden worden. Selbst eine Tochter hatte er schon in die Welt gesetzt, die aber nie erfahren sollte wer ihr Vater ist. Das war die Entscheidung ihrer Mutter. In meiner Kindheit traf ich das Mädchen öfter mal, ohne zu wissen dass es meine deutlich ältere Halbschwester ist.

Als Sportler, besonders als Ringer war er sehr erfolgreich. In Feucht bei Nürnberg gab es einen Ringerverein und mein Vater war auf dem besten Weg zur Landesmeisterschaft, als eine Verletzung seinen Weg als Sportler beendete. Der Traum von Olympia war geplatzt.

Zum Zeitpunkt meiner Geburt war mein Vater arbeitslos. Er arbeitete als Stuckateur, diese Arbeit brachte ihn nach Nürnberg. Die Firma für die er arbeitete ging bankrott. Für den erlernten und geliebten Beruf wollte ihn damals schon keiner mehr einstellen, mit 46 Jahren. Finanzielle Hilfe vom Amt gab es nicht wirklich und also schlug er sich mit Gelegenheits-Jobs durch. So arbeitete er bei verschiedenen Schaustellern und war in späteren Jahren als Leierkastenspieler in ganz Nürnberg unterwegs um Musik in die Straßen zu bringen.

Überhaupt verstand er es bestens, nach außen hin den lebenslustigen Menschen zu geben. Diese Rolle spielte er perfekt. Die Wahrheit sah etwas anders aus, was ich leider erst nach seinem Tod im Jahr 2000 verstanden habe. Er hatte sich sein Leben anders vorgestellt, konnte seine Träume aber nicht verwirklichen. Die Verletzung stoppte ihn als Sportler, sein Alter machte die Ausübung des geliebten Berufs unmöglich und plötzlich war er ein zweites Mal Familienvater, was er sich nicht ausgesucht hat.

Freunde und Bekannte erzählten immer wieder wie stolz er mit dem Kinderwagen durch Nürnberg gefahren ist. Müsste er mich mit einem Wort beschreiben, so wäre das Wort wohl: Enttäuschung.

Ich war nicht so wie er, ich wurde nicht so wie er mich gern gehabt hätte und habe bis heute größte Probleme mit Dingen, die ihm ganz leicht gefallen sind.

Meine Mutter, Ernestine A. Missauer, erblickte am 07.07.1952 das Licht der Welt in einem kleinen bayerischen Ort in der Nähe von München. Die Familienmitglieder mütterlicherseits lernte ich sehr gut kennen. Konservativ und scheinheilig-katholisch.

Schon früh zog sie daheim aus. Mit einer Freundin kam sie nach Nürnberg und fand Arbeit hier. Sie arbeitete bis zum Ende im Restaurant "Heilig-Geist-Spital", das heutzutage hauptsächlich Touristen anlockt. Die Arbeit machte ihr Spaß und aus Kolleginnen und Kollegen wurden Freunde. Es lief alles so gut und sie war glücklich.

Schaut man sich die beiden Geburtstage meiner Eltern an, so erkennt man zwischen ihnen einen Altersunterschied von 20 Jahren. Man hat wohl auch damals schon erkannt dass da irgendwas dahinter steckt. Die Familie meiner Mutter war also mit der Partnerwahl nicht gerade einverstanden. Es wird ihnen auch nicht gefallen haben, dass daraus eine richtige Beziehung wurde. Es kam sogar noch schlimmer.

Irgendwann im Sommer 1978 muss meine Mutter wohl die Nachricht überbracht haben. Schwanger! Ausgerechnet von diesem Mann. Und eine Hochzeit ist auch nicht in Planung.

Abtreibung? Undenkbar. Das hätte wohl sogar noch mehr Schande über die Familie gebracht. Dann doch lieber das Kind in die Welt setzen, das wäre das kleinere Übel. Nun war sie in einer Situation, die ihr Leben für immer verändern sollte. Ein Wunschkind war ich nicht, das hat sie mir selbst mehr als einmal bestätigt. Gewünscht hatte sie sich ein ganz anderes Leben.

Am 12. Dezember 1978 erblickte ich dann das Licht der Welt in Nürnberg. Damals noch mit dem Mädchennamen meiner Mutter, was ihrer Familie so gar nicht gefallen haben dürfte. Wenn sie also einen Familienstammbaum erstellen wollen, dann müssen sie mich bedenken. Ob sie es wollen oder nicht, ob ich es will oder nicht, ich gehöre dazu. Einen zweiten Vornamen habe ich nicht bekommen. Es war wohl mal einer im Gespräch, doch ich bin froh dass mir dieser erspart geblieben ist.

Nicht nur dass sich meine Mutter laut ihrer Familie den falschen Partner ausgesucht hatte, nun hatte sie auch noch ein Bastard-Kind von eben jenem Kerl.

Die christliche Familie wird wohl über Ablehnung hinaus gegangen sein und Vorwürfe erhoben haben. In einer Situation, in der meine Mutter jede Unterstützung gebraucht hätte, wurde ihr genau diese wohl verweigert. Nicht gerade christliche Tugenden.

Glücklicherweise hatte sie in Nürnberg gute Freunde gefunden und von diesen die nötige Unterstützung in allen Lebenslagen bekommen. "Freunde sind die Familie, die wir uns aussuchen" heißt es. Sie suchte gut aus. Mit ihren Freundinnen und Freunden hatte ich mehr Kontakt als mit den Blutsverwandten. Das ist auch gut so.

Mit meinem Vornamen Benjamin hatte ich schon zu Schulzeiten so meine Probleme. In der Schule nannten mich Freunde dann eher Benny und als Teenager wurde es dann schließlich Ben. So ist es bis heute geblieben. Auf meinen vollen Geburtsnamen reagiere ich fast schon gar nicht mehr. Möglicherweise auch eine Art der Distanzierung von der Familie und Kreation der eigenen Identität. Keine Ahnung, was der Seelenklempner da sagen würde.

Meine Eltern lebten im Dezember 1978 noch in getrennten Wohnungen, beide in der Nürnberger Altstadt im Stadtteil St. Sebald. Bis sie die gemeinsame Wohnung gefunden haben sollten erst noch zwei andere große Ereignisse stattfinden.

Das erste Ereignis war meine Taufe im Jahr 1979. Die zuständige Gemeinde in Nürnberg wollte mich nicht taufen, da ich unehelich geboren wurde. Damals konnte die katholische Kirche wohl noch wählerisch sein. Irgendwem war es aber wichtig dass ich getauft werde. Bis heute weiß ich nicht wem das so viel bedeutet hat. Es wurden gute Beziehungen genutzt und vielleicht auch eine großzügige Spende überreicht, sodass ich schließlich im Heimatdorf meiner Mutter getauft werden konnte. Nun war ich also römisch-katholisch.

Es war die erste Gelegenheit für die ganze Familie mich zu sehen. Ob es eine große Familienfeier gab weiß ich nicht. Scheinbar wurde damals nicht viel oder sogar überhaupt nicht fotografiert. Ich kann mir jedoch vorstellen wie angespannt die Stimmung damals gewesen sein muss und wie unwohl sich meine Mutter gefühlt haben muss. Meinem Vater ging es ähnlich, sicher hat man aus der Ablehnung ihm gegenüber kein Geheimnis gemacht. Ich kann mir auch vorstellen, dass mein Vater verbal zurückgeschlagen hat. Das Verhältnis zwischen ihm und der Familie meiner Mutter blieb bis zum Ende angespannt. Keine der beiden Seiten unternahm irgendwelche Versuche das Verhältnis zu entspannen, bis zuletzt.

Religiös oder gläubig war ich übrigens nie. Mein Taufpate? Dazu schweige ich lieber.

Am 26.10.1979 heirateten meine Eltern schließlich, wenn auch nur standesamtlich. Meine Mutter nahm den Nachnamen meines Vaters an und auch ich bekam diesen Namen. Von nun an hieß ich also Benjamin Maier. Tatsächlich habe ich zwei verschiedene Geburtsurkunden, eine auf den Mädchennamen meiner Mutter und eine auf den Namen Maier. Ich bin sehr froh dass ich den Namen Maier bekommen habe und mich somit von der Familie meiner Mutter distanzieren kann.

Die Fotos der Hochzeit zeigen, dass es nur eine kleine Feier gab. Die Familie meiner Mutter war nicht vollständig anwesend, nichtmal alle Geschwister fanden die Hochzeit so wichtig um die Reise von knapp 120 Kilometern nach Nürnberg anzutreten. Meine Mutter hatte es nicht gewagt weiß zu tragen, also trug sie schwarz. Vielleicht wollte sie damit auch tatsächlich ein Zeichen setzen, dass selbst dieser Tag von einer gewissen Traurigkeit geprägt war. Bei einer späteren Hochzeit ihres Bruders reiste sie an, obwohl sie kein Auto hatte. Sie war stets um ein gutes Verhältnis und den Familienfrieden bemüht.

Der Grundstein für die kleine Familie Maier war also gelegt.

Wir drei gegen den Rest der Welt. So sollte es wohl sein. Bis 1982.

Im Februar 1982 erblickte meine Schwester Michaela das Licht der Welt. Es ist natürlich ihre Sache, ihre Lebensgeschichte zu erzählen, daher wird an dieser Stelle nicht viel zu lesen sein.

Eines wurde jedoch über die Jahre immer deutlicher: Im Gegensatz zu mir war sie ein Wunschkind.

Nun könnte es sein, dass Jemand von der Familie meiner Mutter diese Zeilen liest. Mit Sicherheit habe ich eine Reaktion hervorgerufen.

Um es ganz klar zu sagen:
Ich bin gerne bereit über alles zu reden. Ich bin nicht bereit auf "heile Familie und große Harmonie" zu machen.

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