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Abschiede

Vielleicht liegt es am Alter, vielleicht auch an meinen Lebensumständen, aber ich blicke immer mal wieder auf mein Leben zurück. Ganz ohne Anlass. Dabei habe ich die unterschiedlichsten Gefühle. Heute, am 19.02.2023, stehe ich fast komplett alleine da. Alle, die irgendwann mal ein Teil meines Lebens waren, sind gegangen oder auch gegangen worden.

Für den größten Teil meines Lebens habe ich Gesellschaft gesucht. Es war mir das Höchste, Teil einer Clique zu sein. Während meiner Schulzeit bekam ich dadurch "den falschen Umgang". Später machte ich mich immer wieder zum Klassenclown, deutete das Lachen als eine Art Anerkennung. Nachdem ich von der Grundschule auf die Wirtschaftsschule wechselte, musste ich komplett von vorne anfangen. Mit dem Schulabschluss in der Tasche stand ich dann fast ganz allein da. Während der Ausbildung stand die nächste Schulzeit an, die Zeit an der Berufsschule. Hier entwickelte sich eine Freundschaft, die immerhin fast zehn Jahre hielt, bis eben zum Jahr 2008. Von den diversen Schulzeiten ist heute also nichts geblieben. Wahre Freundschaften hatte ich kaum und auch die, die ich hatte, haben sich nicht gehalten.

Bei der Arbeit hatte ich auch meine Schwierigkeiten damit, private Kontakte zu schließen. Oft genug war die Arbeit eher unangenehme Pflicht, ich wollte nur rein, meinen Job erledigen und schnell wieder raus. In einer Abteilung die sonst nur aus Frauen besteht, war ich von Anfang an der Außenseiter. Ich fühlte mich nicht wirklich gut integriert, hatte mich aber auch selbst nicht darum bemüht. Mit Kolleg*Innen in anderen Abteilungen kam ich da schon leichter in Kontakt und es entwickelten sich tatsächlich ein paar Freundschaften, drei davon bestehen noch. Gerade unter Kolleg*Innen finde ich immer wieder Leute, die mir Ratschläge geben wollen. Für mich ist das merkwürdig. Hilfe fängt doch beim Zuhören an. Wie will man helfen, wenn man nicht über das Problem informiert ist?

Leider musste ich mich auch von meiner ersten und bis heute einzigen Liebe, Julia, verabschieden. Zu viele Einflüsse von außen, Vernachlässigung von meiner Seite und ein Nebenbuhler waren letztlich der Mix, der mich im April 1998 wieder zum Single machte. Im Jahr 2000 sahen wir uns noch einmal wieder, hierbei sprachen wir die letzten Worte miteinander. Erst 2017 gab es ein Wiedersehen. Leider ist die 2021 verstorben, ich musste mich ein weiteres Mal von ihr verabschieden. Wieder war es aber nur ein Abschied auf Zeit, dessen bin ich mir sicher. Unsere "Seelen" haben 1997 zueinander gefunden, die Erinnerungen sind stets wach geblieben, wir werden wieder zueinander finden. Dann kann sich auch Niemand mehr einmischen und zwischen uns stehen.

Im Tanzstudio meines Vertrauens ergab sich auch so manche Freundschaft. Dachte ich zumindest. Dann kam das Jahr 2008. Einige haben noch eine zweite Chance bekommen, 2011 brachen dann auch diese Personen für mich weg. Wieder hatte sich eine Dame mehr als schäbig mir gegenüber verhalten und Andere hielten daran fest was für ein toller Mensch sie doch sei. Dann sollen sie an diesem tollen Menschen festhalten. Obwohl viel Platz in meinem Leben ist, ist für solche Menschen kein Platz. Mit den verschiedenen Tanzdamen habe ich auch so manches Drama erlebt. Nur eine einzige hält mir seit über 10 Jahren die Treue und beweist damit, dass es eben doch funktionieren kann, ganz ohne Stress und Drama.

Mit meinem Umzug an den Stadtrand Nürnbergs schliefen dann auch die letzten Kontakte ein, teilweise ganz bewusst von mir gesteuert. Um mich zu besuchen hätten sie 15 Minuten fahren müssen. Damit ich sie besuchen kann hätte ich 45 Minuten Bus und Bahn fahren müssen. Wenn ich ihnen die 15 nicht wert bin, warum soll ich dann 45 investieren? Meine Zeit ist ebenso kostbar.

Der schwerste Abschied war natürlich von meinem Neffen Joschua. Mit einem Herzfehler geboren waren ihm leider nur neuneinhalb Monate auf unserer Erde vergönnt. Sein letzter Tag war ein richtig schöner, vor allem vom Wetter her. Wir waren viel draußen unterwegs und er war richtig gut drauf. Am Abend verschlechterte sich sein Gesundheitszustand und er machte einige seiner letzten Atemzüge auf meinem Arm. Es ist so ungerecht, mich hätte der Gevatter holen können, ich wäre bereit gewesen und hätte seinen Platz lieber eingenommen. Immerhin habe ich nun eine Art "Schutzengel".

Über die Jahre habe ich gelernt allein zu sein ohne mich einsam zu fühlen. Inzwischen bevorzuge ich es sogar, meine Ruhe zu haben. Ich bin der Überzeugung, dass ich keine Freunde verloren habe. Als die Leute aus meinem Leben verschwunden sind, haben sie bereits aufgehört Freunde zu sein. Vielleicht waren sie es auch nie.

Auch aus den sozialen Netzwerken habe ich mich verabschiedeten. Von Studi-VZ bis TikTok hatte ich so gut wie überall einen Account. Inzwischen bin ich nur noch bei Instagram zu finden. 


"Hör auf zuerst zu schreiben und sieh wie viele tote Pflanzen du gepflegt hast."
Dieses Motto lebe ich seit einigen Jahren schon. Eine Freundschaft ist meiner Meinung nach immer nur so gut, wie beide Beteiligte sie machen. Wenn da nur eine Seite dran arbeitet, ist das eben nicht optimal. Immer mal wieder lasse ich das Smartphone einfach schweigen. Ich habe es gerne, wenn man mir auch mal zuerst schreibt und mir so gezeigt wird, dass da Jemand an mich denkt und es auffällt, wenn man schon länger nichts mehr voneinander gehört hat. Manchmal rfolgt die begehrte Nachricht und manchmal weiß ich wenigstens woran ich bin. Irgendwie win-win.

"Wie kann ich dich vermissen wenn du niemals weg gehst?"
Mich beschäftigt die Frage schon, ob man mich denn vermissen würde wenn ich nicht mehr da wäre. Das kann man ja schon zu Lebzeiten herausfinden, eben auch indem man nicht immer als Erster schreibt. Egal ob Hochzeit oder Trauerfeier, aktuell würde ich vier Leute einladen, zwei davon sind Verwandtschaft.

"Kein Freund von mir wird je am Tisch meine Feindes sitzen."
Diese Einstellung hat zum großen Schwund im Jahre 2011 geführt. Wie schon beschrieben hatte sich eine Dame daneben benommen, wobei andere noch daran festhielten was für ein toller Mensch sie sei. Es freut mich tatsächlich, dass andere Menschen mit ihr eben so positive Erfahrungen gemacht haben. Wird schon seinen Grund haben, warum das mir nicht vergönnt war. Wären die Anderen jedoch meine Freunde gewesen, wären sie vom Verhalten der Dame eher negativ erstaunt und würden zu mir halten. Das war nicht der Fall und mir ist Loyalität nunmal auch bei Freundschaften wichtig. Ganz oder gar nicht, für halbe Sachen habe ich nichts übrig.


Manche Menschen hat mir der Gevatter Tod genommen. Hier glaube ich mit fester Überzeugung an ein Wiedersehen in irgendeiner Form. Wenn meine "Schutzengel" mir irgendetwas sagen könnten, dann wäre es wohl eine aufmunternde Botschaft.

Andere Menschen sind aus meinem Leben gegangen, sie hatten keine Lust mehr auf mich. Vielleicht hatte ich mich auch zu sehr oder zu wenig verändert. Vielleicht waren sie auch nie wirkliche Freunde. Ich weiß es nicht und es ist mir auch nicht so wichtig um jetzt nochmal Leute zu befragen. Womöglich ist es auch einfach nur zu peinlich mit einem Typen im Rock gesehen zu werden. Bei echten Freunden würde ich darauf Rücksicht nehmen, ansonsten ist es mir wichtiger, mir selbst treu zu bleiben.

Die dritte Gruppe bilden die Menschen, die ich aus meinem Leben geworfen habe. Das war nie einfach für mich, ich musste mir selbst erstmal klarmachen, dass ich besseres verdient habe und mich auch für Freundschaften nicht unter Preis verkaufen darf. Zeit meines Lebens traf ich schließlich auf so viele unterschiedliche Menschen, doch es fand immer ein Ende, kam immer zum selben Resultat. Dann müsste es ja, wenn man es logisch betrachtet, an mir liegen. Ich war schließlich immer gleich. Ebenso logisch ist es, dass ich dann etwas ändern muss. Genau das tat ich. Mein Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl wuchs an und ich bin nicht mehr bereit respektloses Verhalten zu akzeptieren. Nicht privat, nicht auf der Tanzfläche und auch nicht im Büro. Ja, ich gebe auch Vorgesetzten Widerworte wenn ich mich im Recht fühle und mehr als einmal lag ich genau richtig damit.

Inzwischen kann und will ich alleine sein. Einsamkeit ist natürlich immer noch ein Thema, doch es trifft mich nicht mehr so schwer wie früher und die Phasen in denen ich der Depression nahe bin kommen seltener vor und sie sind kürzer.


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