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Standard & Latein

Die erste Tanzstunde meines Lebens hatte ich am 20. Januar 2006, um 21 Uhr im Tanzstudio Schlegl. Meine Eltern hatten immer wieder erzählt, dass sie beide sehr gute Tänzer in ihrer Jugend gewesen waren. Vielleicht hatten sie mir ja etwas vererbt und immerhin war ich ja noch immer mitten in meiner Jugend, auch mit 27 Jahren noch. Vom Tanzstudio Schlegl hatte ich schon gehört, deswegen war es für mich die erste Wahl. Außerdem war es damals noch ziemlich nahe an meinem Wohnort gelegen.

Ich ging also hin und war nicht unbedingt optimistisch. Meine Einstellung war: So, jetzt findest du raus, dass du das nicht kannst. Es kam anders. Überraschenderweise hatten sich zu wenig Frauen für den Anfängerkurs angemeldet. So musste man aus höheren Kursen ein paar Gast-Damen holen. Eine von ihnen musste sich dann mit mir abgeben. In der ersten Stunde lernten wir die Grundschritte für Cha-Cha-Cha, Langsamer Walzer und Jive. Meine Tanzpartnerin wollte mir nicht glauben, dass ich hier gerade die ersten Tanzschritte meines Lebens machte. Vielleicht wollte sie mich auch nur aufbauen.

Die erste Tanzstunde motivierte mich zum Weitermachen. So war ich nun jeden Freitag Abend im Tanzstudio meines Vertrauens zu finden. Ab 21 Uhr im Tanzsaal Nummer 3. So sah das damals aus. In diesem Saal sollte ich ein paar Jahre später auch meinen ersten Gig als DJ haben. Auch daraus wurde eine Erfolgsgeschichte, doch dazu mehr in einem späteren Kapitel.

Nach dem Anfängerkurs ging es nahtlos weiter in den Fortgeschrittenen-Kurs. Inzwischen hatte sich eine kleine Clique gebildet und so hatte ich für diesen Kurs schon eine feste Tanzpartnerin. Hin und wieder wurde noch durchgewechselt, damit sich die Damen an verschiedene Führungen gewöhnen konnten. Nach dem F-Kurs beherrschte ich den Grundschritt und jeweils eine Figur in zehn Standard- und Lateintänzen.

Der nächste Schritt wäre der Einstieg in das sogenannte Club-Card-System. Hierbei zahlt man einen monatlichen Betrag und kann dafür so oft man will in die Kurse gehen. Diese sind wie Schulklassen aufgebaut. Man fängt in der ersten Klasse an und geht immer weiter nach oben. Abschlussprüfungen gab es natürlich nicht, man konnte sich aber freiwillig Prüfungen stellen und Abzeichen und Ränge verdienen. Das weckte den Ehrgeiz.

Für die Club-Card-Kurse verließen wir den gewohnten Tanzsaal Nummer 3 und sind sozusagen aufgestiegen. Tanzsaal 2 war deutlich größer und hatte mehr Beleuchtungselemente unter der Decke hängen. Schon im Herbst 2006 fing ich dort mit meiner Tanzpartnerin an. Es dauerte auch nur so lange, weil die Schulferien auch für Tanzschulen gelten. Bis zu den Osterferien hatte ich den Anfängerkurs geschafft, bis zu den Sommerferien den Fortgeschrittenenkurs.

Von Beginn an hatte ich in den Club-Card-Kursen zwei Tanzpartnerinnen für zwei unterschiedliche Tage pro Woche. Anfangs war ich damit überfordert, dass ich bei den Damen nun durchaus sowas wie beliebt war. Natürlich nur für das Eine, also das Tanzen.

Im Winter 2006 machte ich den ersten sogenannten "Medaillentest", um mir das Bronze-Abzeichen und eine Urkunde zu sichern. An einem Samstagabend wurde in Saal 1 die wöchentliche Tanzparty für Jugendliche gefeiert, in Saal 2 wurde die Prüfung abgehalten. Hierbei wählte der Prüfer drei Tänze aus. Zusammen mit einem Tanzlehrer des Tanzstudios und einem weiteren Tanzlehrer einer anderen Tanzschule wurde dann bewertet. Bei der Prüfung ging es nicht darum möglichst viele Figuren zu tanzen, die Basics waren viel wichtiger.

Im Langsamen Walzer wurde also sehr auf die richtige Haltung geachtet und dass auch wirklich jeder Schritt nach vorne ein Fersenschritt ist. Auch das Heben und Senken des Körpers war wichtig. Tief, Hoch, Hoch. Ferse, Ballen, Ballen. Im Takt sollte man auch sein. Im Cha-Cha-Cha sollte man die Fersenschritte dann unbedingt vermeiden, in den Latein-Tänzen gibt es grundsätzlich keine Fersenschritte. Auch ein Heben und Senken gibt es nicht. Jeder Schritt wird auf dem Ballen angesetzt und die Schritte sollten möglichst klein angesetzt werden um nicht aus dem Takt zu kommen.

Was ich schon dutzende Male in den Kursen gemacht hatte, war nun doch nochmal etwas Besonderes geworden. Wir bestanden die Prüfung, wenn auch nicht mit voller Punktzahl. Abzeichen und Urkunde habe ich natürlich bis heute.

Vielleicht kennt ihr den Spruch: "Tanze, als würde niemand zusehen". Völliger Quatsch in meinen Augen. In Tanzschulen und gerade bei Prüfungen gilt: "Tanze als würden alle nur auf dich schauen". Machen sie nämlich tatsächlich.

Neben den Tanzkursen gab es jede Woche auch noch die Tanzparties. Samstag für die Jugendlichen, freitags für die Erwachsenen. Die Tanzparty fand immer im Tanzsaal Nummer 1 statt, dem großen. Während des Anfänger-Kurses, der ja immer freitags stattfand, konnte man nach dem Kurs noch gleich zur Party bleiben. Später hatte ich diesen Luxus nicht mehr.

Ich ging nur auf die Tanzpartys wenn ich eine Tanzpartnerin hatte. Einfach so hingehen und eine Dame ansprechen war für mich nach wie vor undenkbar, obwohl ja alle Anwesenden das gleiche Interesse hatten und ich dabei ja gar nicht mal schlecht war.

Mich interessierte nicht nur der Tanzboden, sondern auch die Decke. Die großen Lautsprecher, all die bunten Lichter. Das wäre für mich ein schönes Spielzeug. Schon früh fasste ich den Vorsatz, irgendwann würde ich das auch mal alles steuern und wenn es auch nur ein einziges Mal ist.

Den Jahreswechsel von 2006 zu 2007 feierte ich auch im Tanzstudio. Kurz nach Mitternacht hatte ich eine Dame im Arm, die ich damals noch für etwas ganz Besonderes hielt. Monate später sollte ich feststellen, wie schrecklich gewöhnlich sie doch ist.

In meinen Jahren im Tanzstudio hatte ich mehrere Tanzpartnerinnen. Mal hat die Dame einfach keine Zeit mehr gehabt, mal keine Lust mehr oder einen eifersüchtigen Partner gehabt. Alles schon mitgemacht. So manche Tanzpartnerschaft wurde auch von mir beendet. Über meine Erfahrungen mit den Tanzdamen könnte ich schon ein ganzes Buch schreiben. Für mich war es schwer, in dieser Umgebung so ziemlich jede negative Seite einer Beziehung zu erleben, während mir die positiven Seiten ja weiter verwehrt geblieben sind. Glücklicherweise hielten sich die negativen Seiten aber immer sehr in Grenzen.

Über die Jahre hatte ich auf der Tanzfläche immer wieder meine Erfolgserlebnisse. Neue Schritte und Figuren lernte ich immer sehr schnell und konnte so für meine Tanzpartnerin eben auch schnell eine Hilfe sein. Ich führe die Dame ja nicht in jeden einzelnen Schritt, sie lernt ihre Schrittfolge für jede Figur ja auch selbst. Meine Führung besteht darin, der Dame anzuzeigen, welche Figur ich gerne mit ihr tanzen würde. Während der Figur bin ich dann eher Hilfestellung. Das hat bisher immer wunderbar geklappt und all meine Damen waren stets zufrieden mit meiner Führung. Manchmal wurde es als Ausrede gebraucht: "Der hat nicht gut geführt", aber ein Tanzlehrer sieht natürlich mit geschultem Blick sofort, woran es gescheitert ist.

Neben den Kursen und den wöchentlichen Tanzpartys gab es auch immer wieder größere Events. Einen Frühlings- und einen Winterball, sowie ein Sommerfest. Das Sommerfest findet in den letzten Jahren immer wieder auf der MS Brombachsee statt. Eine einzigartige Location, ich kann es jedem nur empfehlen, das einmal mitzumachen. Tanzen unterm Sternenhimmel hat einfach etwas.

Die Bälle finden meistens in der Stadthalle in Fürth statt. Nur für die ganz großen Events geht es in die Meistersingerhalle in Nürnberg. Da ich kein Problem mit unserer Nachbarstadt habe, störte es mich auch nie, zum Tanzen nach Fürth zu fahren. Mich störte eher die Kleiderordnung.

Schon auf den Eintrittskarten war immer der Vermerk "Abendkleidung erwünscht" aufgedruckt. Eine Vorschrift gab es nicht, aber auf den Kleidungswunsch wurde schon immer wieder verstärkt hingewiesen. Es gab also kein Entkommen, ich musste in Anzug und Krawatte auflaufen. Bilder, wie hier links zu sehen, sind eine echte Seltenheit.

Bei so einem Ball habe ich immer wieder eine Reizüberflutung. All die Damen in so schönen Kleidern. Da komme ich mit dem Gucken nicht hinterher. Für einen "Ball verkehrt" wäre ich sofort zu haben, also die Dame im Anzug und ich im Kleid. Bisher wurde das noch nicht angenommen. Nach einem Ballkleid in meiner Größe zu shoppen ist sicherlich spaßig.

Ein besonderes Highlight war der Winterball 2015, der genau auf meinen Geburtstag fiel. Den ganzen Abend haben meine Begleitung und ich uns gefragt, ob sie es wohl wirklich tun würden. Sie taten es wirklich.

Kurz vor Mitternacht wurde die Tanzfläche freigemacht. Chef Schlegl persönlich machte eine Ansage und gratulierte mir zum Geburtstag. Die Band spielte auf und ich tanzte mit meiner Begleitung den traditionellen Geburtstagswalzer. Alles schaute auf uns, das Spotlight gehörte uns allein. Die gut gekleideten Menschen wurden automatisch zu unserem Publikum. Sie klatschten rhytmisch mit. Dieser Moment hätte ruhig länger dauern können, so habe ich meinen Geburtstag nie wieder gefeiert. Immerhin einmal hatte ich die ganz große Bühne.

Beim Jubiläumsball 2018 hatte ich dann sogar eine Promi-Begegnung mit Kathrin Menzinger und ihrem Tanzpartner Vadim Garbuzov. 

Besondere Auftritte vor Publikum hatte ich in den Jahren zuvor meistens zum Fasching. Jedes Jahr gibt es eine große Faschingsfeier, ein Teil davon ist das Männerballett. Auf den Bällen zeigen die Formationstänzer ihr Können, zum Fasching war dann die Satire-Veranstaltung dazu. Meistens hatten wir die gleiche Musik, aber eben unsere sehr eigene Choreographie.

Schon 2007 hatte ich den ersten Auftritt, zu einem Musikstück aus dem Musical Cabaret. Im berühmten "Kleinen Schwarzen", mit Straps und Strumpf. Die Choreographie hatten wir in wenigen Trainingseinheiten drauf. Der Auftritt war ein voller Erfolg, das Publikum war restlos begeistert und verlangte sogar lautstark nach einer Zugabe. 

In den folgenden Jahren tanzte ich mal im bunten Petticoat über die Bühne, dann im Else-Kling-Haushaltskittel und einmal im knappen Glitzerfummel. Immer wieder eine ganz besondere Erfahrung. Erst als sich mein Wohnort immer weiter vom Tanzstudio entfernte musste ich das aufgeben.

Nürnberg hat, warum auch immer, den ältesten Faschingsumzug Deutschlands. Im Jahr 1397 gab es den ersten Fastnachtsumzug. Wenn man Faschings- bzw. Karnevalshochburgen denkt, fällt einem nicht unbedingt Nürnberg ein. Im Jahr 2011 machte auch das Tanzstudio Schlegl mit einem eigenen Wagen mit und ich war obendrauf. Wieder ein besonderes Highlight für mich. Da konnte ich die "Kamelle" in die Menge werfen. Als Kind stand ich an der Straße und sammelte Süßigkeiten, nun war ich oben auf dem Wagen und fuhr durch diese Straße.

Mein Arbeitgeber hat eine Sportgemeinschaft und im Rahmen dieser Sportgemeinschaft gibt es auch einen Tanzkurs. 2012 stieß ich als Teilnehmer dazu, irgendwann wurde mir die Kursleitung überlassen. Einmal pro Woche war und bin ich Tanzlehrer und DJ in einer Person. Während der Corona-Krise musste dieser Kurs, sowie auch die Kurse im Tanzstudio pausieren. 2022 legte ich dann wieder los und tanze aktuell viermal pro Woche. Das nächste Highlight kommt bestimmt.


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