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Auszug

Im Februar 2002 war es für mich endlich soweit. Ich zog aus.

Ja, da war ich schon 23 Jahre alt.
Ja, bis dahin habe ich mir ein Zimmer mit meiner Schwester teilen müssen.
Ja, da braucht es keinen Psychololgen um zu wissen, dass das nicht gesund ist.

Über den Auszug hatte ich natürlich schon sehr früh nachgedacht, doch es war finanziell nicht möglich. Mir war klar, dass eine WG nicht in Frage käme, egal mit wem. Nach der Schule war ich zwei Jahre auf der Suche nach einer Ausbildung, dann kam der Zivildienst mit seinem knappen Sold und während der Ausbildung konnte ich auch keine großen Sprünge machen. Es dauerte also überdurchschnittlich lange, bis der große Moment endlich kam.

Nach meiner Zeit mit Julia hatte mein Leben erneut die Chance richtig gut zu werden. Das wurde es auch. Mein Job war zu diesem Zeitpunkt gesichert, ich hatte den Kampf gewonnen. Nun hatte ich finanzielle Sicherheit und konnte mir eine Wohnung suchen. Ein Budget von den Eltern gab es nicht, ich musste einen Kredit aufnehmen um die Wohnung einzurichten. Mein Vater war zu diesem Zeitpunkt schon verstorben und irgendwie entwickelte es sich so, dass ich plötzlich das zweite Familieneinkommen beigesteuert hatte. So war der Umzug eine wahre Befreiung für mich.

Die Breitscheidstraße, Ecke Wirthstraße, in Nürnberg.

Hierhin hat es mich verschlagen. Der Umzug war schnell erledigt, viele Sachen hatte ich ja nicht. Die Einrichtung wurde vom Möbelhaus geliefert und aufgebaut. Nun war eine 40 qm² große Zwei-Raum-Wohnung mein Zuhause. Die große Freiheit hatte begonnen, Obwohl im gleichen Haus auch eine Fahrschule war, habe ich die Fahrerlaubnis übrigens trotzdem nicht gemacht. Dank der Nähe zum Hauptbahnhof und ausreichend Einkaufsmöglichkeiten in der Umgebung gab es von nun an immer das zu Essen, was ich wollte. Nicht gut für die Figur, aber gut für die Seele. Zuvor war ich es ja gewohnt, die Einkäufe einer vierköpfigen Familie zu schleppen, da fiel es mir leicht, mich selbst zu versorgen.

Ich habe meine Zeit dort genossen. Endlich eine Tür, die ich hinter mir zumachen konnte. Endlich eine Privats- und Intimssphäre. Eine Badewanne, die ich mir mit Niemandem teilen musste und Niemand auf den ich Rücksicht nehmen müsste. Die Wohnung wäre zu klein gewesen für eine weitere Person, also hat es mich nicht sonderlich gestört Single zu sein. Diese Freiheit, ganz für mich alleine zu sein, war mir erstmal wichtiger.

Jeden Sonntag besuchte ich meine Mutter und Schwester und wir blieben natürlich in gutem Kontakt. 

Die Judengasse, im Stadtteil St. Sebald.

Am 28.12.2004 verstarb meine Mutter, sie hatte den Kampf gegen Krebs verloren. Die Wohnung, in der sie bis zum Schluss lebte, wurde irgendwann in eine Eigentumswohnung umgewandelt. Der Eigentümer konnte die Wohnung aber nie verkaufen, eben weil wir als Mieter schon so lange drin waren und dementsprechend Schutz hatten. Nun wäre die Wohnung also frei. Der Eigentümer bot mir die Wohnung zu einem Vorzugspreis an. Ich nahm an, investierte mein kleines Erbe und nahm einen größeren Kredit auf.

Meine Schwester übernahm meine Wohnung in der Breitscheidstraße und laut ihren Erzählungen hatte auch sie eine gute Zeit dort. Ich zog Anfang 2005 wieder zurück in die Altstadt, in die Wohnung in der ich schon aufwuchs und die nun sogar mein Eigentum war.

Heute weiß ich, dass das ein großer Fehler war. Zeit meines Lebens will ich kein Wohneigentum mehr haben, sogar für mich selbst nicht. Lieber zahle ich Miete bis ans Ende meines Lebens. Alleine die jährliche Eigentümergemeinschaft hat mich mehr Nerven gekostet als alles Andere. Gleich bei der ersten Versammlung wurde ich dazu verdonnert, die Fehlentscheidungen des vorherigen Eigentümers der Wohnung zu berichtigen. Also nochmal Geld investieren.

Es war schon schön wieder in der Altstadt zu wohnen, wieder innerhalb der altehrwürdigen Stadtmauern. Keine Miete zu zahlen klingt zwar auch gut, dafür zahlt man aber einen Kredit ab. Da ist Miete schon besser, denn wenn es mir nicht mehr gefällt kann ich wieder umziehen. Als Wohnungseigentümer hatte ich große Angst vor den sogenannten Mietnomaden, also kam für mich nur die Nutzung durch mich selbst in Frage. 

Schon nach ein paar Jahren trat genau der Fall ein, es gefiel mir nicht mehr. Nachts war es leider nicht immer still, nicht innerhalb und auch nicht außerhalb des Hauses. Zudem wurden auch immer mehr negative Erinnerungen wieder aufgerufen. Meine Grundstimmung änderte sich mit der Zeit immer mehr, immer weiter hin zum Negativen. Das Jahr 2008 löste wohl etwas aus, dazu in einem späteren Kapitel mehr.

Im Jahr 2010 war für mich klar dass ich dort nicht wohnen bleiben würde. Die anderen Eigentümer und auch die Bewohner des Hauses nervten mich immer mehr. Eine gute Beziehung der Nachbarn untereinander gab es im ganzen Haus nicht. Am meisten nervte mich die Nachbarin in der Wohnung direkt über mir. Sie, ihre Kinder und ihre Besucher raubten mir mehr als einmal die Nachtruhe. In einer Nacht war es ganz besonders schlimm und in dieser Nacht fasste ich auch den Entschluss wieder umzuziehen und die Altstadt erneut hinter mir zu lassen.

Die Nachbarin hatte mal wieder Besuch, mehr als eine Person. Selbst nach Mitternacht konnte ich deutlich die Stimmen hören, die sich lautstark unterhielten. Da die Nachbarin einen Migrationshintergrund hatte, handelte es sich wohl um ihre Muttersprache und die verstand ich nicht. Außerdem hatten ihre Besucher wohl sehr schwere Schuhe an, jeder Schritt war deutlich zu hören. Irgendwann brüllte ich durch die Decke nach oben. Es war kurz ruhig, ging dann aber genau so wie zuvor weiter. Es war schon nach 2 Uhr nachts als ich die Polizei rief. Ich wusste, dass wenn ich selbst nach oben gehen würde, ich wohl nicht mehr an mich halten könnte. Als das Polizeiauto vorfuhr wurde es mit einem Schlag ruhig. Die Beamten kamen ins Haus, sprachen sich kurz mit mir ab und gingen nach oben.

Ich blieb im Treppenhaus zwischen den Stockwerken. Wäre ich doch nur wieder in die Wohnung zurückgegangen. Meine Neugier war zu stark und ich habe es bereut. Die Polizisten klingelten bei der Nachbarin und sie öffnete die Tür. Sie war völlig verschlafen und stand im Nachthemd da. Die Beamten gingen in die Wohnung, konnten aber Niemanden finden. Sie kamen wieder zu mir und ermahnten mich, wahrscheinlich gingen sie von einem Fehlalarm aus. Es blieb bei der Ermahnung, doch ich war bedient. Ich hatte ja nicht geschlafen und irgendetwas geträumt. Es war deutlich zu hören, es war eine Sprache und es waren Schritte mit schwerem Schuhwerk.

Es gab einfach keine Erklärung, zumindest keine Natürliche. Schon immer glaubte ich an das Paranormale und nun hatte ich es selbst erlebt. Was auch immer diese Geräusche verursacht hatte, war nicht von dieser Welt und ging vor allem nicht von der Nachbarin aus.

Meine Schwester hegte Umzugspläne. Wir wurden uns einig, dass ich wieder die Wohnung in der Breitscheidstraße übernehmen würde, während sie ein neues Leben in einer anderen Stadt beginnen würde. Die Wohnung in der Altstadt wurde verkauft. Ich wollte nur noch raus und spekulierte nicht lange. Wahrscheinlich habe ich im großen Rahmen finanzielle Verluste eingefahren, doch das war mir egal. Die Wohnung in der Breitscheidstraße ließ ich renovieren und zog wieder ein. Mein Problem nahm ich aber leider mit.

Leider war es wieder das gleiche. In der Nacht hörte ich mehrere Stimmen, die sich in einer fremden Sprache unterhielten und schwere Schritte. Ein wenig Hoffnung hatte ich doch noch, also ging ich vors Haus und schaute nach oben. In der Wohnung über mir waren aber alle Lichter aus. Ich kehrte zurück in meine Wohnung und hatte wieder die Geräuschkulisse. Auch 2011 war kein gutes Jahr, von vermeintlichen Freunden wurde ich bitter enttäuscht. Dazu noch die unruhigen Nächte. Es ging mir wirklich nicht gut. Ein sogenanntest Poltergeist-Phänomen muss auch gar nicht unbedingt etwas Paranormales sein, aus Büchern erfuhr ich, dass man so etwas auch selbst auslösen kann durch emotionale und/oder psychische Unruhe.

Vernünftig war es nicht, aber notwendig. Nach nur zehn Monaten zog ich wieder um. Nun ließ ich die Innenstadt komplett hinter mir und zog an den äußersten Stadtrand. Das war die beste Idee meines Lebens. Bis heute wohne ich hier und solange ich die Treppen in den dritten Stock noch schaffe, werde ich hier auch bleiben. Vielleicht baut mein Vermieter ja auch noch einen Aufzug ein. Es wurde alles etwas ruhiger. Falsche Freunde verschwanden aus meinem Leben, sie wollten wohl nicht die lange Anfahrt von 15 Minuten auf sich nehmen. Mit den Öffentlichen Verkehrsmitteln brauche ich ungefähr 45 Minuten in die Innenstadt. Warum also sollte ich 45 investieren für Jemanden, dem ich keine 15 wert bin?

Ein paar paranormale Erscheinungen hatte ich hier auch noch, doch die waren allesamt positiv. Irgendetwas will mir hin und wieder zeigen, dass ich doch nicht ganz allein bin. In den letzten Jahren ist es etwas mehr geworden, mein Schutzengel hat ja auch Verstärkung bekommen.


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