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Bürostuhl-Jockey

September 1998. Ich war wieder Single, der Zivildienst war vorbei und ich startete meine Ausbildung zum Kaufmann für Bürokommunikation. So hieß das damals noch.

Nach über 100 erfolglosen Bewerbungen hatte eine nun endlich Erfolg und die war nichtmal von mir geschrieben. Julia hatte sie Monate zuvor schon für mich geschrieben. Sicher auch eine Sache, die mich an meinen Arbeitgeber bis heute bindet. In der Zeit zwischen Schulabschluss und Zivildienst hielt ich mich mit Gelegenheitsjobs bei diversen Schaustellern über Wasser. Während des Zivildienstes gab es einen Sold, der nicht gerade großzügig berechnet war. Damals hatte ich einen ganz anderen Berufswunsch, doch die Eltern konnten mich überzeugen, "erstmal was Vernünftiges" zu lernen. Danach könne ich ja machen was ich wolle. Nun bin ich schon fast 25 Jahre im Büro und werde es wohl bis zu meiner Rente auch bleiben. Kein Traumjob, aber zumindest etwas, dass ich gut kann. Zudem habe ich schon so viel durch- und mitgemacht dass es absoluter Blödsinn wäre jetzt aufzugeben. Dann wäre all das umsonst gewesen.

Der erste Tag ist mir noch gut in Erinnerung. Heutzutage wird aus dem Beginn der Ausbildung, von Seiten meines Arbeitgebers, ein Event gemacht. 1998 war das noch nicht so. Eine der ersten Ansagen war: "Wenn euch der Job nicht gefällt, geht ruhig wieder. Hunderte Andere freuen sich über die Stelle". Nach einem kurzen Treffen wurden die Auszubildenden in ihre jeweiligen Abteilungen geschickt, aufgeteilt auf Filialen in ganz Nürnberg. Es sollten noch ein paar Jahre vergehen bis das große Gebäude fertig war. Ich fand mich in einem Büro wieder, dass wohl in den 50er-Jahren eingerichtet worden war. Die Wände schon vergilbt, da man damals noch drinnen rauchen durfte. Mein Schreibtisch bot mir den Ausblick auf den Parkplatz. Bei der Arbeit war von irgendwelchen Microsoft-Programmen auch noch keine Spur. Es war beinahe wie eine Zeitreise.

Die Abteilung, die heute als Human Ressources bekannt ist, bewies damals schon Humor. Im Zeugnis, das meiner Bewerbung beilag, hatte ich in Rechnungswesen eine glatte 4. Und was tat ich nun den ganzen Tag? Buchungsnoten schreiben. Die ersten drei Monate der Ausbildung waren ja noch Probezeit, man hätte mich also jederzeit gehen lassen können. Nicht gerade ein angenehmer Start. Obwohl ich schon früh mit meiner Ausbildung zu einem klärenden Gespräch gerufen wurde bestand ich die Probezeit und konnte die Ausbildung fortsetzen. Alle sechs Monate wurde man in eine anderen Abteilung geschickt, um so verschiedene Bereiche des Unternehmens kennenzulernen. Als zweite Station war für mich die Abteilung angesagt, in der ich bis heute arbeite. Dort war mein Job das Anlegen von Neuschäden.

Nach wieder einem halben Jahr ging es in die nächste Abteilung, diesmal direkt in die Buchhaltung. Chaos war vorprogrammiert, es war nicht gerade die beste Zeit. Mein Zeugnis sagte ja schon aus, dass mir Rechnungswesen nicht so liegt. Hätte man ja auch berücksichtigen können. Gar nicht mal um mir eine Sonderbehandlung zukommen zu lassen, sondern um Fehler zu vermeiden und das Nervenkostüm der Ausbilderin und der Kolleg*Innen zu schonen. Irgendetwas lief da wohl nicht so ganz richtig in Human Ressources und es wurde nicht besser.

Anstatt nach sechs Monaten in eine neue Abteilung zu wechseln, kehrte ich wieder zurück in die Abteilung, in der ich vor der Buchhaltung war. Das kam dem dortigen Abteilungsleiter gerade recht, er hatte personelle Engpässe. Er machte mir ein Angebot. Ich solle die Ausbildung in seiner Abteilung zu Ende bringen und würde danach in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis übernommen. Dieses Angebot nahm ich natürlich an und auch Human Ressources stimmte zu. Für alle war es eine Sorge weniger, dieser Maier-Typ war also schonmal untergebracht. Dementsprechend entspannt ging ich in die Abschlussprüfungen und bestand diese auch. In Textverarbeitung brachte ich es auf 210 Anschläge pro Minute. Ich konnte und kann auf einer Tastatur mit allen Fingern schnell und richtig schreiben.

Die Berufsschule lief ganz entspannt ab. Zwar hat mich das eine oder andere Mädel schon interessiert, aber ich bin nicht aktiv geworden. Als Pausenclown genoß ich durchaus einige Beliebtheit und es entstanden auch zeitlich begrenzte Freundschaften. In Erinnerung ist mir vor allem die attraktive Englisch-Lehrerin im letzten Schuljahr geblieben. Die Gedanken sind frei.

Als es dann endlich Zeit für den neuen Arbeitsvertrag war, konnte sich der Abteilungsleiter plötzlich nicht mehr an sein Versprechen erinnern. Er war bereit mich gehen zu lassen. Ich musste kämpfen. Wohl um mich zu brechen, wurde ich für Wochen ins Aktenlager abgestellt. Fernab vom Sonnenlicht, immer die gleiche Tätigkeit. Das könnte die Motivation schon zerstören. Was der Abteilungsleiter aber nicht auf dem Plan hatte war, dass die Kolleg*Innen dort sehr angenehm waren. Nach allen möglichen Höhen und Tiefen war ich nun wieder Teil eines guten Teams und genoß die Arbeit sogar. Nebenbei führte ich den Kampf um meinen Arbeitsplatz weiter und gewann schließlich. Erst einige Jahre später gab der Abteilungsleiter zu, dass er sich natürlich an sein Versprechen erinnern konnte, er aber die Personalkosten sparen und mich loswerden wollte.

 

2023

Nun bin ich also fast 25 Jahre dabei. In diesen Jahren ist so viel geschehen, damit könnte ich ein ganzes Buch füllen. Genau das ist mein Plan. Zu meinem Dienstjubiläum am 01.09.2023 soll es fertig sein. Veröffentlicht wird es nicht, das ist ein reines Goodie für diverse Personen im Unternehmen. Es ist mein Jubiläum, doch andere bekommen die Geschenke. Womöglich gibt es dieses Jubiläum aber auch gar nicht.

Tatsächlich habe ich auch schon eine Abmahnung bekommen, am 16.01.2023. Aussagen von mir wurden falsch interpretiert, man wusste nicht wie man das zu deuten hatte. Anstatt das Gespräch zu suchen, leitete man gleich die disziplinarische Maßnahme ein.

Manches ändert sich halt auch über die Jahre nicht. Irgendetwas läuft nicht so ganz richtig in Human Ressources. Human. Nicht vergessen.


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