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Skirtman

Ich bin Ben und ich bin ein Crossdresser. Seit über 30 Jahren.

Als Crossdresser bezeichnet man Jemanden, der gerne Kleidung trägt, die "typisch" für das andere Geschlecht sind. Sieht man also beispielsweise eine Frau in dunklem Anzug und Krawatte in einem Bürogebäude, so ist das auch ein Fall von Crossdressing.

Es ist kein Anzeichen für sexuelle Ausrichtung oder Geschlechtsidentität. Auch bei Travestie ist es nicht einzuordnen, ich bin kein Transvestit. Diese verwandeln sich ja komplett ins andere Geschlecht. Weiterhin ist es auch kein Fetisch, zumindest nicht wenn ich einen Rock trage.

Stellen wir uns eine schöne Frau, nennen wir sie mal Jennifer. Jennifer könnte also einen engen Minirock tragen und das würde mir gefallen. Noch viel mehr würde es mir jedoch gefallen, wenn sie einen langen, weit schwingenden Rock tragen würde. Hätte ich also eine Partnerin und sie würde mich fragen ob sie für mich etwas Besonderes tragen soll, würde ich immer die gleiche Antwort geben. Das lange, Weite.

Wie hat das alles aber angefangen?
Warum war es nicht nur eine Phase?
Laufe ich so in der Öffentlichkeit herum?
Und wie reagieren meine Mitmenschen darauf?

Hier die Geschichte, die die Antworten gibt.

Es gab da ein Erlebnis in meiner Kindheit und das könnte vielleicht der Auslöser gewesen sein. Das Jahr war 1987, ich war also gerade mal acht Jahre alt. Die Tochter einer Bekannten der Familie war manchmal als Babysitterin bei uns eingesetzt. Eines Tages trug sie ein fast bodenlanges Kleid mit weit schwingendem Rock. Im Verlauf des Tages kam es zu einer kleinen Rangelei. Ich ging zu Boden, sie saß auf mir. Die Situation war deutlich unschuldiger als das hier klingen mag. Immerhin spürte ich ihren Rock an mir, auf mir. Ein besonderes Gefühl, das mir in Erinnerung geblieben ist. Wie sich das wohl anfühlt, einen Rock zu tragen? Diese Frage ließ mich einfach nicht mehr los.

Ich musste es einfach mal ausprobieren. Genau das tat ich dann auch. Es war an einem Samstag. Meine Eltern saßen im Wohnzimmer vor dem Fernseher, meine Schwester muss schon geschlafen haben. Ich ging an den gemeinsamen Kleiderschrank und holte einen knielangen, gestuften Jeansrock heraus. Bis zu meinem 20. Lebensjahr war ich extrem schlank, daher passte der Rock. Eine der Türen des Schranks hatte auf der Innenseite einen Spiegel, ich sah mich an und es gefiel mir sehr was ich da sah. Das fühlte sich richtig gut an.

Von da an gab es kein Zurück mehr. Wann immer ich konnte trug ich einen Rock und genoss es anfangs sogar, dass das mein kleines Geheimnis war. Diese Freude hielt jedoch nicht lange an. Es sollte kein Geheimnis mehr sein. Als erste zog ich meine Schwester ins Vertrauen. Anfangs war es ihr egal, kurze Zeit später unterstützte sie mich sogar. Das gab mir schonmal mehr Freiheit und natürlich auch mehr Zeit als "Rocker". Bevor nun auch die Eltern davon erfahren sollten, wenn sie nicht ohnehin schon einen Verdacht hatten, sollte erst noch ein anderer Schritt erfolgen.

Das genaue Jahr weiß ich nicht mehr, doch irgendwann zog ich los um mir einen Rock zu kaufen. Ich ging also in ein Bekleidngsgeschäft, in die entsprechende Abteilung und bat eine der Verkäuferinnen um Hilfe. Sie dachte erst, dass ich für jemand Anderen shoppen würde. Sichtlich überrascht über meine Aussage dass das für mich sei, nahm sie dann meine Maße und begann mit der Beratung. Es wurde ein bodenlanger, schwarzer Faltenrock aus sehr leichtem Stoff. Über die Jahre wurde meine Sammlung immer größer, doch dieser erste Rock war immer mein Favorit. Für diesen Shopping-Trip brauchte es schon Selbstbewusstsein und das bewies ich.

Nun sollten also auch die Eltern eingeweiht werden. Ich dachte lange darüber nach, wie ich das wohl am besten anstelle, mit wem ich zuerst reden würde. Zu einem Ergebnis kam ich nicht wirklich. Irgendwann hatte ich dann die spontane Eingebung. An einem ganz gewöhnlichen Tag wurde ich zum Abendessen gerufen. Ich zog meinen Rock an und spazierte erhobenen Hauptes ins Wohnzimmer. Meine Mutter grinste nur, sie wusste es wohl schon lange vorher. Mein Vater war mit der Situation völlig überfordert. "Sohn, wir müssen uns wohl mal ernsthaft unterhalten", so die Worte meines Vaters. Zu diesem Gespräch kam es aber nie. Er musste es einfach akzeptieren. Meine Eltern waren sich wohl sicher, dass das nur eine Phase sei. Nun, diese Phase hält aktuell schon über 35 Jahre an.


Das Samstagabend-Programm der ARD hatte Ende der 80er bis Anfang der 90er ein ganz besonderes Highlight für mich, eine Spielshow namens Flitterabend. Das Besondere daran war, dass die Teilnehmer frisch verheiratete Pärchen waren und sie die Spiele in ihren Hochzeits-Outfits bestreiten mussten. Die Männer als in ihren Anzügen, die Frauen in ihren Hochzeitskleidern. Da dauerte es nicht lange bis ich einen Vorsatz gefasst hatte. Irgendwann würde auch ich so ein Kleid mal tragen. Über 15 Jahre gingen ins Land, doch dann war es soweit.

Das erste Kleid war Second Hand, auf eBay ersteigert. Das zweite war dann das Ergebnis eines besonderen Shopping-Erlebnisses. Ich machte einen Termin in einer Boutique aus und war noch vor der Öffnung dort. Um die Kundinnen nicht zu stören, bekam ich einen ganz eigenen Timeslot. Eine ganze Boutique voller Brautmode, fast für mich allein. Würde ich an den Himmel glaube, sähe mein Himmel so aus.

2023, zur Feier eines besonderen Ereignisses, werde ich das wiederholen. Darauf freue ich mich jetzt schon.


Als Nächstes stand für mich der Schritt in die Öffentlichkeit an. Es dauerte unglaublich lange, bis ich dazu bereit war. Immer wieder nahm ich Rücksicht auf vermeintliche Freunde und malte mir irgendwelche Horror-Szenarien aus. Ich war einfach noch nicht bereit. Das Selbstbewusstsein muss unbedingt gefestigt sein, sonst nimmt man negatives Feedback persönlich und schränkt sich vielleicht selbst ein. Erst als ich an dem Punkt war, an dem es mir wirklich egal war, zog ich im Rock los. Es gab kaum Feedback, so war dieser Schritt für mich ein voller Erfolg.

Auf ein paar Leute nehme ich immer noch Rücksicht, vor allem auf die Tanzpartnerinnen. Dabei bin ich gerade im Tanzstudio meines Vertrauens als "DJ Skirtman" oder einfach "dieser merkwürdige Typ im Rock" bekannt. Inzwischen ist es wirklich schon so etwas wie mein Markenzeichen.

Heutzutage leben wir ja in einer sehr offenen, modernen Welt. Selbst in den Stellenausschreibungen steht das berühmte Kürzel "m, w, d", also männlich, weiblich oder divers. Wenn es also divers sein darf, dann ist da sicher auch Platz für einen Crossdresser wie mich.

Manchmal werde ich gefragt, ob meine Kleiderwahl eine Bedeutung hat. Vor Jahren hätte ich das verneint, es gefällt mir halt einfach so. Inzwischen ist es vielleicht doch eine Aussage, dass ich nicht so recht ins Bild des Normalo passe, eher am Rande der Gesellschaft stehe und kein Problem damit habe. Außerdem ist es ein gutes Zeichen gegen toxische Maskulinität. Schon oft habe ich gehört was "ein echter Mann" alles macht und nicht macht. Das hat mich noch nie interessiert. Wer auch immer das sagt, geht ja von seinen oder ihren Maßstäben eines echten Mannes aus und ich will gar nicht in die Maßstäbe anderer Leute passen.


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