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Julia

Mein 18. Geburtstag war eine ziemlich traurige Veranstaltung. Ich kann mich nicht erinnern dass es eine Feier oder großzügige Geschenke gab. Viele Freunde hatte ich damals schon nicht und für die Geschenke hatte meine Familie einfach nicht das Geld. Hätte ich den Führerschein schon gehabt, hätte man mir ein Auto "überlassen", allerdings mit der Pflicht, den Fahrer zu spielen für die Eigentümerin und wahrscheinlich auch meine Familie. Kein Interesse, dankeschön. Am meisten hat mich aber gestört, dass ich nun also 18 Jahre alt war, keinen Ausbildungsplatz und keine Freundin hatte. Kein erstes Date, kein erster Kuss, kein erstes Mal.

In der Schulzeit war ich immer zu schüchtern und unsicher um mit den Mädchen überhaupt nur zu sprechen, egal über welches Thema. Aus der Schule war ich schon länger raus und ich wusste auch nicht, wie ich an meinem Beziehungsstatus etwas ändern sollte. Dass ich nur ein halbes Zimmer hatte war auch eine große Einschränkung. Irgendwann, eben um meinen 18. herum, war die Sehnsucht aber dann größer als alle Hindernisse die ich mir teilweise selbst in den Weg gelegt hatte. Man hatte mir schon zu einer Chiffre-Anzeige in der Zeitung geraten, doch da waren eher die älteren Semester vertreten. Doch es gab eine Alternative.

Damals gab es einen deutschsprachigen Musiksender namens VIVA. Genau wie alle anderen Fernsehsender bot auch dieser Videotext an, ein Vorbote des Internets. Man konnte Nachrichten, Wettervorhersagen und andere Informationen abrufen. Unter Anderem konnte man dort auch Kontakt knüpfen, eben via Chiffre-Anzeige und unter Anderem für Brieffreundschaften. Das war genau richtig für mich, ich war damals schon ein Schreiber. Bestimmt würde ich einen guten ersten Eindruck machen, wenn ich diesen nicht persönlich mache. 

Eine der jungen Damen die mir antwortete, war eine gewisse Julia. Mir fiel sofort ihre schöne Handschrift auf. An ihrer Adresse erkannte ich, dass sie gar nicht so weit von mir entfernt wohnte. Vielleicht würde es ja nicht nur bei einer Brieffreundschaft bleiben, vielleicht ja auch nicht nur bei einer Freundschaft.

Ihren Brief beantwortete ich zuerst und gab mir größte Mühe, nicht nur mit dem Inhalt. Wir verstanden uns gut und schrieben uns in sehr kurzen Abständen. Sie brachte mir auch den Trick mit der Briefmarke bei. Der nächste Schritt sollte schon wenige Wochen nach dem ersten Kontakt erfolgen, ein Telefonat. Tag und Uhrzeit wurden vorab ausgemacht und ich war extrem nervös als dieser Zeitpunkt immer näher rückte. Hätte irgendjemand aus meiner Familie zum Telefon gegriffen, wäre ich wohl großzügig verstimmt gewesen. Doch das geschah nicht. Pünktlich klingelte das Telefon und ich hörte zum ersten Mal ihre süße Stimme. Leider kann ich die Stimme nicht beschreiben, doch ich höre das Echo bis heute. Bestimmte Sätze und Formulierungen sind mir in Erinnerung geblieben und wenn ich daran denke, dann kann ich ihre Stimme dabei hören.

Ich greife vor.

Es gab keinen Grund zur Nervosität. Wie schon in den Briefen zuvor, verstanden wir uns auch im Telefonat bestens. Wir plauderten stundenlang, bis heute war mein längstes Telefonat aller Zeiten mit ihr. Meine Gedanken gingen schon weiter, doch ich wollte es nicht ansprechen. Sie sprach es an, das erste Treffen. Irgendwie war ich mit der Situation dann doch überfordert, denn bei diesem Telefonat wurde dann noch kein Treffen ausgemacht. Zunächst blieben wir bei den Briefen und gelegentlichen Telefonaten. Allzu viel Zeit verging allerdings auch nicht.

Am 19.04.1997 fand das erste Treffen statt. Um 14:30 Uhr, Treffpunkt war der Busbahnhof am Bahnhof Erlangen. An diesem Tag wachte ich sehr früh auf und musste mich mit Videospielen ablenken um nicht komplett durchzudrehen. Fast eine Stunde zu früh war ich in Erlangen und tigerte auf dem Bahnhofsgelände herum. Heutzutage würde man wohl von der Security angesprochen. Die Zeit verging rasend schnell und irgendwann bog der Bus um die Ecke. Pünktlich. Die Türen gingen auf, Leute stiegen aus. Aus der Entfernung schaute ich nach ihr und entdeckte sie schließlich.

Sie trug eine blaue Jeans mit schwarzem Gürtel, die passende Jeansjacke war offen, ein weißes Top und weiße Sneakers strahlten mit ihr um die Wette. Was ich trug weiß ich nicht mehr, aber das ist auch nicht wichtig.

Nun kam sie also auf mich zu. Was mache ich nur? Händedruck? Handkuss? Sie nahm mir diese Entscheidung ab und umarmte mich freundschaftlich. Wir gingen die Hauptstraße und Nürnberger Straße auf und ab. Ich versuchte wohl irgendwie eine Rolle zu spielen, doch sie durchschaute das sofort. Julia bat mich, damit sofort aufzuhören, schließlich wolle sie mich kennenlernen und nicht irgendetwas vorgespielt bekommen. Schon in mit ihren Briefen hatte sie mich beeindruckt, nun war ich restlos von ihr begeistert. Nicht nur dass sie bildhübsch war, sie hatte auch richtig was im Köpfchen.

Dem Gefühl nach verging nur eine halbe Stunde, tatsächlich dauerte unser Spaziergang aber fast drei Stunden. Die Zeit des Abschieds war gekommen und der fiel mir schon richtig schwer. Nachdem der Bus mit ihr aus meinem Sichtfeld verschwand machte ich mich auf den Weg zu Bahnsteig 4 um nach Nürnberg zurückzufahren. Zu diesem Zeitpunkt war für mich schon klar, sollte es wirklich nur bei einer Freundschaft bleiben, wäre ich doch sehr enttäuscht.

Zwei Wochen später fand das nächste Date statt. Sie brachte ihre beste Freundin mit und ich sollte auch Jemanden mitbringen. Hätte ich meinen besten Freund zu diesem Zeitpunkt mitgenommen, hätte er sich wohl sofort an Julia herangemacht. Daher ging ich auf Nummer Sicher. Dachte ich. Der vermeintlich harmlose Nerd fand allerdings auch Gefallen an Julia und bemühte sich um sie. Wenige Tage später sollte es schon zu einer Art Showdown kommen.

Damals arbeitete ich mit meinem Vater an einer Imbissbude in der Nürnberger Innenstadt. Gegen Schluss standen plötzlich Julia und der Nerd vor mir. Sie wollten mich abholen. Mein Vater bremste mich jedoch aus. Wenn man am Imbiss arbeitet, dann muss man auch beim Putzen nach Feierabend helfen. Das wusste ich natürlich schon und habe mich immer an diese Regel gehalten. Nun bat ich meinen Vater, ruhig und sachlich, um eine Ausnahme. Er blieb hart. Ausgerechnet er, der von mir sowieso enttäuscht war dass ich noch immer keine Freundin hatte, stand mir nun im Weg. Ich konnte mich nicht durchsetzen. Julia und der Nerd gingen ohne mich weiter und ich war in meinem Leben noch nie so sauer auf ein Familienmitglied. Brav putzte ich und rannte dann nach hause.

Am nächsten Tag rief Julia an und ich glaubte schon zu wissen, was ich zu hören bekommen würde. Sie erzählte mir, dass sie noch bis zur Haustür gebracht wurde und der Nerd dann den letzten Bus verpasst hatte. So verbrachte er die Nacht draußen, in ihrer kleinen Heimatstadt. Julia erzählte weiter, dass dieser Nerd bei ihr keine Chancen hätte. Da gäbe es schon Jemand Anderen.

Ich blieb still. Sie blieb kurz still. Dann flüsterte sie. "Du. ... Du hättest Chancen bei mir".

Damit hatte ich wirklich nicht gerechnet. Zu diesem Zeitpunkt kannte Julia mich schon sehr gut. Besser als all die Damen die mich in der Zukunft ablehnen würden. Trotzdem, oder vielleicht sogar genau deswegen, hatte ich also Chancen bei ihr. Das konnte ich mir nicht entgehen lassen. Jegliche Logik war ausgeschaltet, der Verstand war im Schonwaschgang. Mein Herz hatte die Steuerung übernommen.

Das Leben war so perfekt. Zum Zocken hatte ich das damals ganz neue "Nintendo 64", die Musik damals war in allen Genres auf dem Höhepunkt und nun hatte ich auch noch die Möglichkeit richtig glücklich zu werden. Fast schon zu schön um wahr zu sein. Doch es war wirklich wahr.

Unser nächstes Treffen fand am 21. Mai 1997 statt, bei dieser Gelegenheit ist auch dieses Bild entstanden. Ich nahm Julia mit zu mir nach hause. War ich denn total wahnsinnig? Wahrscheinlich schon. Sie lernte meinen Eltern und meine Schwester kennen und ich zeigte ihr mein halbes Zimmer. Irgendwann war die Zeit des Abschieds gekommen, doch das fiel uns beiden schwer. Julia wusste genau welchen Zug und welchen Bus sie nehmen musste, um pünktlich daheim zu sein. Heute kann ich es ja zugegeben, wir haben diesen Zug mit voller Absicht verpasst. Ihre Eltern konnten oder wollten sie nicht abholen, also musste sie die Nacht bei mir verbringen. Unser Plan ging auf. Es folgte die schönste Nacht meines Lebens.

Ein Lichternetz an der Decke erhellte den Raum. Das Album "Music Box" von Mariah Carey lief ganz leise im Hintergrund auf Dauerschleife. Wir plauderten und lernten uns richtig gut kennen. So vergingen die Stunden, irgendwann war es schon nach Mitternacht. Wann immer wir einen stillen Moment hatten, schaute sie mich mit ihren grün-blauen Augen an und fragte: "Was denn?". Immer wieder stellte sie diese Frage. Dann hatte ich endlich die richtige Antwort darauf.

"Wenn du das nochmal fragst, dann ... dann küss ich dich". Sie schaute mich frech an und fragte wieder. Ganz langsam kam ich ihr näher, vielleicht würde sie ja noch ausweichen wollen. Sie weichte aber nicht aus und es folgte mein erster Kuss.

Nach wie vor bin ich sehr stolz darauf meinen ersten Kuss mit Julia gehabt zu haben und nicht mit irgendeiner Person die schon kurz darauf keinerlei Bedeutung mehr für mich gehabt hatte. Julia war genau die Richtige, die Eine.

In dieser Nacht folgten noch weitere Küsse, allerdings nicht mehr. So eilig hatten wir beide es nicht damit. Sie sah mich auch zum ersten Mal im Rock und unterstützte mich sogar noch.

Julia wurde müde, ich war hellwach. Sie machte es sich gemütlich, ihr Kopf lag auf meinem Schoß und wenig später war sie eingeschlafen. Überglücklich schaute ich sie dann und streichelte ihr sanft übers Haar. Nach etwa einer Stunde wachte sie kurz auf und behauptete, dass sie ja gar nicht geschlafen habe. Viel mehr wäre das ein Test gewesen ob ich die Situation nicht etwa ausnutzen würde. Selbst wenn es so gewesen wäre, dann habe ich diesen Test mit wehenden Fahnen bestanden. Natürlich würde ich so eine Situation nicht ausnutzen, dafür war mir Julia zu diesem Zeitpunkt schon viel zu wichtig.

Am nächsten Tag fuhr sie dann zurück nach hause. Ihre Eltern waren wohl nicht so begeistert von der spontanen Übernachtung, doch zu diesem Zeitpunkt war mir das noch egal. Wir telefonierten am Abend und sie erzählte mir alles. Das nächste Date machten wir auch gleich aus. Keine 48 Stunden später würden wir uns wiedersehen. Jener Samstag, der 24. Mai 1997, würde als einer der wichtigsten Tage in der Geschichte eingehen. Wir trafen uns, wie immer, in Erlangen und ich nahm sie noch einmal mit zu mir. Wir kuschelten und schmusten, ganz unschuldig. Sie trug ein dunkelblaues, langes, weites Sommerkleid mit kleinen weißen Blümchen. Mit einem frechen Grinsen erzählte sie mir, dass ihre Eltern wohl froh waren dass sie nicht im engen Mini losgezogen ist. Sie konnten ja nicht wissen, dass mir das lange Kleid viel besser gefällt. Julia wusste das zu diesem Zeitpunkt auch schon und hat dieses Kleid extra für mich angezogen.

Diesmal sollte sie wohl lieber pünktlich daheim sein, also schauten wir beide immer mal wieder auf die Uhr. In einem besonders schönen Moment nahm ich all meinen Mut zusammen und verlieh meinen Gefühlen Ausdruck. Ich schaute ihr in die schönen Augen und gestand ihr meine Liebe. Sie lächelte und antwortete, dass sie mich auch liebt. Jede andere Antwort hätte mich zutiefst erschüttert. Nun war es also offiziell, wir waren ein Paar.

Bis zu diesem Zeitpunkt lief alles wunderbar, es ging stetig bergauf. Das musste sich ja irgendwann ändern, es musste irgendwann wieder bergab gehen. Dieser Moment kam am 31.05.1997, als ich ihre Eltern kennenlernte. Zu Julias Hobby gehörte das Tanzen. Die Tanzschule, die sie besuchte, hatte einen Showabend im Markgrafentheater in Erlangen und ich hatte eine Karte bekommen. Natürlich wartete ich nur auf den Auftritt meiner Liebsten, der erst ganz zum Schluss kam. Sie hatte mir verraten wo genau sie in der Gruppe stehen würde und ich fand sie sehr schnell. In der Pause lernte ich dann ihre Eltern und ihren jüngeren Bruder kennen. Meiner Meinung nach lief alles ganz normal ab. Nach der Show konnte ich mich gerade noch von Julia verabschieden, dann war die Familie auch schon verschwunden.

Erst am Tag danach sollte ich dann die Neuigkeiten bekommen, dass die Eltern nicht gerade von mir beeindruckt waren. Ihr Vater bemängelte, dass mein Händedruck zu lasch gewesen wäre. Ich war damals ja gerade 18 Jahre jung, doch selbst damals wusste ich schon, dass das natürlich kein echter Grund für Abneigung ist. Das klang für mich eher danach als hätte da Jemand vorher schon beschlossen mich nicht zu mögen und nun eben nach irgendeiner Rechtfertigung suchte. Da man mich noch nicht so gut kannte, war es dann halt der lasche Händedruck. Mit der Zeit kamen dann immer mehr Kritikpunkte dazu, darunter unter Anderem dass ich noch keinen Ausbildungsplatz hatte, den Führerschein nicht machen würde und Ersatz- statt Wehrdienst leisten würde. Für die Familie war der Fall ganz klar: Ich war nicht gut genug für Julia.

An dieser Stelle ein kleiner Tipp, vom kinderlosen Single, an alle Eltern:
Vielleicht ist eines eurer Kinder ja auch gerade dabei die erste Liebe zu erleben. Natürlich habt ihr das Recht, den Partner oder die Partnerin nicht gut zu finden. Ich kann auch nachvollziehen dass man für das eigene Kind immer nur das Beste will. ABER... Selbst wenn ihr mit der Partnerwahl nicht einverstanden seid, solltet ihr doch im besten Interesse eures Kindes darauf achten, dem Nachwuchs diese einmalige Erfahung nicht zu verderben.

Damals ging ich nicht mit meiner heutigen Arroganz an die Sache ran. Es war mir nicht egal, was sie von mir dachten. Das konnte mir nicht egal sein. Dieser ständige Vorwurf, dass ich nicht gut genug wäre, nagte jedoch sehr an mir. Selbst Julia gegenüber erwähnte ich meine Zweifel. Vielleicht hätten sie ja sogar recht. Bestimmt sogar. Sie könnte bestimmt Jemanden finden der besser wäre. Ganz sanft brachte sie mich zum Schweigen mit der besten Antwort, die man in so einer Situation geben kann.

"Wer gut genug für mich ist und wer nicht, das entscheide ich schon selbst."

Im Sommer 1997 war ich dann zum ersten Mal bei ihr zu hause, ihre Familie war in den Urlaub gefahren und sie zeigte mir das Haus und ihr Zimmer. Ich merkte gleich, dass die Familie wohl keine Geldsorgen hätte. Das war schon etwas einschüchternd. Julia spielte mir dann etwas auf Klavier und Gitarre vor. Talentiert war sie also auch noch. Spontan versuchte ich, mir einen Songtext einfallen zu lassen, doch es mangelte an Inspiration. Vielleicht war ich auch einfach nur zu aufgeregt.

Wir verbrachten die Nacht zusammen und es sollte zum ersten Mal kommen, doch es klappte nicht. Zum ersten Mal machte sich ein Problem bemerkbar, dass ich bis heute noch habe.

Spoiler: Ich bin immer noch Jungfrau. Damit meine ich nicht das Sternzeichen.

Obwohl sie mir immer wieder versicherte, dass das schon in Ordnung sei, konnte ich ihr die Enttäuschung ansehen. Immer wieder sagte ich ihr wie sehr ich liebe und wie wunderschön und sexy sie ist. Sie glaubte mir, war aber doch enttäuscht, dass ich es ihr nicht beweisen konnte.

Im September begann Julia das zweite Jahr ihrer Ausbildung, ich hatte meinen Zivildienst angefangen. Obwohl unsere Wohnorte rund 30 Kilometer voneinander entfernt waren, schafften wir es dennoch uns mindestens einmal pro Woche zu treffen. Manchmal nur für ein knappes Stündchen, doch das war immerhin besser als nichts.

Zu ihrem Geburtstag im Oktober verbrachte ich erneut die Nacht bei ihr zuhause. Es sollte das letzte Mal gewesen sein. In der Nacht versuchten wir noch einmal intim zu werden, doch wieder scheiterte es an mir. Es sollte das letzte Mal gewesen sein. Auf die Ereignisse des nächsten Tages will ich gar nicht näher eingehen. Nur so viel: Für Julias Tränen am Tag nach ihrem Geburtstag war nicht ich verantwortlich. Ich bekam Hausverbot.

Eine harte Zeit für uns beide hatte begonnen. Ironischerweise war ich mir nie sicherer dass Julia mich wirklich lieben würde. Daheim hat sie bestimmt mehr als einmal etwas zu hören bekommen meinetwegen. Sie aber blieb mir treu und hielt zu mir. Zwischen uns gab es keine Probleme, es waren immer nur die Einflüsse von außen. Bis heute bin ich mit der Frage belassen: Was wäre wenn?

Wir verbrachten meinen Geburtstag zusammen, Weihnachten und Silvester 1997 und sie half mir sogar mit meinen Bewerbungen. Eine Bewerbung hat sie sogar für mich geschrieben und genau diese führte zum Erfolg. Vorstellungsgespräch, Einstellungstest, Ausbildung und dann Festanstellung seit über 20 Jahren. Teil meiner Treue zum Arbeitgeber hat definitiv auch mit Julia zu tun.

Der Valentinstag 1998 war der einzige, an dem ich tatsächlich in einer Beziehung war. Im Dienst lief alles gut, der Ausbildungsplatz war nah und ich machte Pläne für die Zukunft. Julia erzählte ich erstmal nichts davon. Sie plante ihre Zukunft ebenfalls, aber inzwischen wohl schon ohne mich. In ihrem Job hatte sie einen jungen Mann kennengelernt, der sehr großes Interesse an ihr hatte. Davon erzählte sie mir sogar, wohl mit der Absicht, dass ich mich etwas mehr um sie bemühe. Leider muss ich gestehen, dass ich tatsächlich mehr hätte tun können. Die Situation war für mich so wunderbar, dass ich hauptsächlich damit beschäftigt war, sie zu genießen.

Ende März 1998 brach sie den Kontakt kurzzeitig ab und holte ihre Sachen bei mir ab. Sie wollte drei Wochen Bedenkzeit. Wahrscheinlich war es ein Fehler, mich an diese Auszeit zu halten und mich nicht zu melden. Nach diesen drei Wochen rief sie an und wollte die Beziehung beenden. Ich bestand darauf, dass sie mir in die Augen schaut wenn sie mir das sagt.

Der Bahnhofsplatz in Erlangen.

An genau dieser Ecke trafen wir uns am 22.04.1998, wie immer um 16:30 Uhr. Es war eine kurze Begegnung. Sie beendete die Beziehung und ich nahm es an. Keine große Szene, keine Diskussion. Ich war am Boden zerstört und blieb an dieser Ecke wie angewurzelt stehen. Erst im Zug zurück nach Nürnberg realisierte ich alles. Nun war ich also wieder Single und sollte es auch bis zum heutigen Tag bleiben. Wahrscheinlich sogar für den Rest meines Lebens.

Julia und ich blieben in Kontakt und kehrten zurück zu unserer Brieffreundschaft. Wir trafen uns noch einmal, am 24.05.1998. Das wäre unser Jahrestag gewesen. Ihr Äußeres hatte sich drastisch verändert. Bei diesem Treffen stellten wir fest, dass wir nicht einfach "nur Freunde" sein könnten. Entweder wir versuchen es nochmal miteinander oder wir gehen komplett getrennte Wege. Letzten Endes lief es darauf hinaus, dass wir den Kontakt zueinander komplett beendeten.

Nur ein Brief kam wenige Wochen noch. Sie wäre wieder vergeben, genau an jenen jungen Mann, den sie bei der Arbeit kennengelernt hatte. Selbst ihre Eltern wären von ihm begeistert. Happy End für sie.

Es war irgendwann 1999 oder gar 2000 als Julia aus heiterem Himmel noch einmal den Kontakt zu mir suchte. Sie war im Krankenhaus und ich solle sie besuchen. Das tat ich auch, obwohl es nicht einfach war. Wir mussten einen Termin ausmachen an dem weder ihr Partner, noch ihre Familie dort wären. Der Termin fand sich und ich sah sie noch einmal. Wieder stellten wir fest, dass wir eben nicht "nur Freunde" sein können. So verabschiedete ich mich von ihr und überließ sie ihrem Leben.

In all den Jahren war ich sicher, dass sie ein wunderbares Leben haben würde. Mann, Kinder, ein Häuschen im Grünen und einen Job den sie liebt. Ich war mir sicher dass sie es schaffen würde und sie hätte es meiner Meinung nach auch verdient. Das Schicksal meinte es aber leider nicht so gut mit ihr. Mehr dazu im Kapitel "Wiedersehen".

Mir machte die Trennung noch jahrelang zu schaffen und ich nahm es alles andere als gut auf. Hätte ich mir nur mehr Mühe um sie gegeben, vielleicht wäre der andere Mann dann chancenlos gewesen. Die Einflüsse von außen waren schon nicht gut, dann aber festzustellen dass man selbst es verbockt hat, tut noch viel mehr weh. Selbst eine körperliche Reaktion gab es. Konnte ich zuvor noch essen was ich wollte ohne zuzunehmen, nahm ich nun rasant zu und bin bis heute stark übergewichtig.

Über die Jahre habe ich immer wieder versucht wieder eine Beziehung zu führen, scheiterte aber immer wieder aufs Neue.

Manchmal bekomme ich zu hören, ich sei noch zu sehr auf Julia fixiert. Sie war immerhin meine erste Liebe und ist bis heute auch meine einzige. Hätte es sie nicht gegeben, wäre mein Leben richtig trostlos. Ich idealisiere sie auch nicht, sie hatte schon auch ihre negativen Seiten. Die hat sie aber mehr als ausgeglichen mit allem Guten was sie für mich und mit mir gemacht hat.


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